Mangelnder Mut und Ängste lähmen in Deutschland Entscheidungen

Im deutschsprachigen Raum scheint es nur eine Formel für Erfolg zu geben: Höher, schneller, weiter. Misserfolge oder Fehler werden nicht geduldet. Die Folge ist: Entscheidungen werden herausgezögert oder ungern getroffen. Bei Misserfolgen werden sofort drastische Konsequenzen gezogen. Schlagzeilen, die das thematisieren, sorgen bei Entscheidungsträgern für Verunsicherung oder gar für wachsende Ängste. So ist es kaum verwunderlich, dass Deutschland in Sachen „Fehlerkultur“ im Vergleich mit 61 Ländern den 60. Platz belegt. Der Umgang mit Fehlern und Misserfolgen hat im deutschsprachigen Raum keine Kultur.

Bleiben Erfolge aus, wird relativ schnell gehandelt. Der FC Bayern lieferte in den vergangenen Wochen ein Beispiel dafür. Mit dem Gewinn der Deutschen Fußballmeisterschaft 2018/19 wurde Trainer Nico Kovac noch gefeiert. Jedoch dreht sich das Blatt in der laufenden Fußballsaison 2019/20 mit dem Ausbleiben der erhofften Siege. Kovac musste im November 2019 gehen und Hansi Flick übernahm. Geht der FCB nicht wieder auf den gewohnten Erfolgskurs, wird es wieder eine Diskussion um den Trainerposten geben. Auch in der Politik sieht es nicht anders aus. Die SPD liefert hierfür ein Beispiel: In relativ kurzen Zeitabständen wurde erst Martin Schulz, dann Andrea Nahles zum Vorsitzenden gewählt, und auf Nahles folgen nun Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als Doppelspitze.

5 Sterne Redner und Experte für Krisenmanagement Felix Brunner befasst sich seit einigen Jahren mit der Thematik Fehlerkultur, Scheitern und Niederlagen. Er beobachtet regelmäßig, was zu diesen Themen in den Medien berichtet wird und analysiert in diesem Kontext seine eigenen Erfahrungen. Er sagt: „In Deutschland werden Fehler mit Schuld gleichgesetzt. Das bremst viele Chancen aus, eine ehrliche Reflexion findet selten statt und das verhindert den so wichtigen Lerneffekt. Denn nur durch diesen ist eine positive Entwicklung möglich. Es mangelt ganz klar an Empathie für Fehler. Das aber wäre wiederum wichtig für Achtsamkeit und Respekt!“ Brunner stellt immer wieder fest, dass durch den Austausch von Führungspositionen zwar eine kurzfristige Veränderung erzielt werden kann, doch langfristig so kaum etwas erreicht wird. Das Thema greif er auch in seinem Vortrag "Fehlerkultur: Scheitern ist ok" auf.

Nach Auffassung des Experten für Krisenmanagement liegt das daran, dass durch den Führungswechsel zwar Einfluss auf die Misserfolgssymptome genommen wird, die Ursache dabei aber nicht beachtet wird. Denn das würde eine intensive Auseinandersetzung bedingen. Diese Zeit jedoch nimmt man sich nicht. „Je schneller sich das Personalkarussell dreht, desto mehr steigt auch bei den Verantwortlichen die Befürchtung, bei einem Fehler der nächste zu sein, der ersetzt wird. Vor diesem Hintergrund ist leicht zu verstehen, warum es an Mut für Entscheidungen mangelt“, kritisiert Felix Brunner. Ob Doppelspitzen - gleich ob in Politik, Sport oder Wirtschaft – die Entscheidungsfreudigkeit steigern, bezweifelt der 5 Sterne Redner. Für ihn ist eine Doppelbesetzung ein Grund mehr, sich nicht festlegen und sich nicht klar zu einer Entscheidung durchringen und bekennen zu müssen.

„Wenn man die Diskussionen um Beschlüsse mal genauer anschaut, wird man feststellen, dass in dem Zusammenhang auch immer gleich nach einem ‚Plan B‘ gefragt wird. Nach meiner Erfahrung und Überzeugung ist das ein falscher Ansatz. So lässt man sich immer eine Tür offen. Nach meinen schweren Sportunfall stellte sich gar nicht die Frage, ob es einen ‚Plan B‘ gibt. Hier ging es um Leben und Tod. Es gab nur die eine Option: Es wird schon funktionieren. Ein Scheitern hätte das definitive Ende bedeutet – ohne eine zweite Chance!“, erklärt Felix Brunner. Daher sollten Unternehmer, Manager und Führungskräfte viel mutiger sein, denn sie haben die Möglichkeit, nach einem Fehler neu durchzustarten. Die Voraussetzung aber ist die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Scheitern: Warum ist es dazu gekommen? Was kann man besser machen? Was haben wir durch den missglückten Versuch gelernt? Eine empathische Fehlerkultur beinhaltet das.

„In diesem Punkt sind uns etliche Staaten einen Schritt voraus, denn dort geht man sehr viel offener mit diesem Thema um. In den USA beispielsweise werden Fehler als Chance verstanden. Es ist daher keine Seltenheit, dass erfolgreiche amerikanische Unternehmen nicht nur Fehler eingestehen, es wird auch sehr oft darüber berichtet, welche Lehren man aus seinen Misserfolgen ziehen konnte“, betont Brunner. Weil dem Experten für Krisenmanagement ein Umdenken im Hinblick auf Fehlerkultur im deutschsprachigen Raum am Herzen liegt, geht er in seinen Vorträgen ausführlich darauf ein. „Die Angst vor Schuldzuweisungen oder Sanktionen - ob nun direkt oder indirekt - sorgt dafür, dass Innovationen und neue Wege zögerlich vorangetrieben werden oder sich nicht frei entfalten können. Nur wenn Fehler offen kommuniziert werden, kann man etwas daraus lernen - dann hat man auch die Chance für Verbesserungen oder etwas Neues. Es ist also höchste Zeit für die Implementierung einer Fehlerkultur in Deutschland“, sagt 5 Sterne Redner Felix Brunner.