5 Sterne Redner

Sven Gabor Janszky: „Stuttgart 21 wird überall sein“

Der 5 Sterne Redner und Leiter des 2b AHEAD ThinkTanks Sven Gabor Janszky hält die Schlichtung für eine Methode der 80er Jahre und erklärt, wie Bürgerbeteiligung der Zukunft aussehen wird

Sven Gábor Jánszky, hält die morgen zu Ende gehende Schlichtung beim Großprojekt Stuttgart 21 für überholt und eine Methode der 80er Jahre. „Stuttgart 21 ohne Schlichtung war aus den 50ern, mit Schlichtung ist die Denkweise der Projektverantwortlichen aus den 80ern. Mit Zukunft hat das was Mappus und Geisler dort machen, kaum etwas zu tun. Dieses Denken ist 30 Jahre alt. Die Lebenswelten der Bürger haben sich gewandelt und das Denken der Politik ist stehengeblieben. Zurecht wird jedes Ergebnis der Schlichtung unbefriedigend bleiben“, sagte Jánszky.

Der Vortragsredner und Leiter des 2b AHEAD ThinkTanks versammelt seit zehn Jahren die Innovationschefs der deutschen Wirtschaft in seiner Denkfabrik und gilt aktuell als einer der renommiertesten Trendforscher in Deutschland. Nach seinen Worten ist die Schlichtung eine Denkweise aus einer vergangenen Welt. Mitbestimmung als Konzept des Ausgleichs und Kompromisses zwischen zwei konträren Positionen zu verstehen, sei ein Überbleibsel aus der bipolaren Welt des kalten Krieges und der Industriegesellschaft, so der Trendforscher.

Die Mitbestimmung der Zukunft werden hingegen sogenannte „Open Innovation“ Methoden sein, wie sie bereits heute in den Innovationsprozessen von Unternehmen angewendet würden. In diesen wird die Lösung für ein Problem von Beginn an gemeinsam und aktiv von allen Beteiligten erarbeitet. Die Rolle der Autoritäten wechsele dabei von einer durchsetzenden in einer moderierende Rolle.

Jánszky, der vom 5 Sterne Team auch als Innovationstrainer vermittelt wird, verwies auf das Beispiel des ersten Bürger-OpenSpaces in Deutschland, das der begeisternde Redner gemeinsam mit zehn Innovationschefs unterschiedlicher Branchen bereits 2009 durchgeführt hatte. Mit der „OpenSpace“-Methode waren damals mehr als 500 Bürger zusammen gekommen und hatten an einem Tag die Zukunftsideen für ihre Stadt entwickelt. Janszky wörtlich: „Dabei sind großartige Ideen und Lösungsvorschläge für konkrete Probleme entstanden. Vor allem ist aber das Gefühl entstanden, dass die Menschen gemeinsam Lösungen erarbeitet haben und jeder Bürger der Stadt sich einbringen konnte. Dies ist exakt jenes Lebensgefühl, das schon heute die Lebenswelten der Menschen prägt. Die Politik wird hart daran arbeiten müssen, ihre Entscheidungsprozesse entsprechend anzupassen. Ansonsten wird Stuttgart 21 demnächst überall sein.“

Interview (zum Abdruck freigegeben):

Herrn Jánszky, morgen werden die Ergebnisse der Schlichtung bei Stuttgart 21 bekannt gegeben. Ist das Projekt jetzt ein Beispiel für eine gelungene Bürgerbeteiligung?

Jánszky: Leider ist genau das Gegenteil der Fall. Das Projekt ist und bleibt ein Beispiel dafür, dass die Bürger sehr genau verstehen, wie sich unsere Lebenswelten wandeln, das Denken der Politik aber im Gestern stehen geblieben ist. Das ‚Stuttgart 21‘ des Ministerpräsidenten Mappus ohne Schlichtung war aus den 50er Jahren, mit Geislers Schlichtung ist die Denkweise der Projektverantwortlichen jetzt aus den 80ern. Dies ist zwar eine rasante Verjüngungskur, aber im Heute ist leider keiner der Akteure angekommen. Zurecht wird jedes Ergebnis der Schlichtung unbefriedigend bleiben.

Erklären Sie das bitte genauer. Wieso protestieren die Bürger, obwohl die Politik jedes Detail des demokratischen Entscheidungsprozesses eingehalten hat?

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren durch die Entwicklung von Internet und Mobilfunk einen rasanten Wandel der Lebenswelten erlebt. Wir Bürger haben uns an eine Lebenswelt gewöhnt, in der Entscheidungen in schneller Folge getroffen und wieder revidiert werden. Wir leben mit einer Technologie, mit der auf einfachste Weise jeder Mensch zu jeder Frage gefragt und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden kann; täglich wenn es sein muss. Dieser Wandel der Lebenswelten ist keine Frage von: ‚Wollen wir das oder nicht?‘ Vielmehr ist uns diese Lebensweise im Alltag so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir nicht mehr bereit sind, politische Entscheidungsprozesse zu akzeptieren, die auf dem demokratietheoretischen Denken der 50er Jahren basieren. Auch wenn es damals gut und richtig war. Unsere Welt verändert sich eben! Wir akzeptieren nicht mehr, dass uns Entscheidungen nach dem Motto ‚Friss oder stirb!‘ vor die Nase gesetzt werden. Und das ist gut so!

Und wieso ist auch die Methode einer Schlichtung von gestern?

Weil es das Wesen der Schlichtung ist, dass sie Menschen im Nachhinein mit Entscheidungen konfrontiert, die bereits getroffen sind und dann einen Kompromiss zu finden versucht, mit dem keiner zufrieden ist. Diese Art der Ja-Nein-Kompromiss-Prozesse kommt aus der Denkweise der bipolaren Welt und der Industriegesellschaft in den 80ern. Es ist jene Denkweise, dass die Welt immer zwischen zwei Polen austariert wird, zwischen gut und böse, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, zwischen schwarz und rot, zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. In dieser Denkwelt leben heute zwar noch unsere Politiker, aber nicht die Menschen, die es inzwischen gewohnt sind, überall mitreden zu können: in der Arbeit, bei der Zusammenstellung der Urlaubsreise, bei neuen Konsumprodukten und gegenüber Autoritäten.

Also widersprechen Sie Heiner Geisler, der sagt dass künftig solche Schlichtungen in allen Großprojekten integriert werden sollen?

Er hat Recht mit der Prognose, dass künftig Methoden der Mitbestimmung von Beginn an solche Projekte prägen werden. Aber es werden mit Sicherheit keine Schlichtungen sein, so wie wir sie hier gesehen haben und wie wir sie aus den Uralt-Ritualen der Tarifverhandlungen kennen. Dafür gibt es schon lange weit bessere Methoden als eine Schlichtung in konfrontativer Atmosphäre.

Welche Methoden werden dann die Mitbestimmung der Zukunft prägen? Wie werden Projekte wie Stuttgart 21 künftig aussehen?

Es werden Methoden sein, die heute bereits als „Open Innovation“ Methoden in den Innovationsprozessen von Unternehmen angewendet werden. Da gibt es eine Vielzahl von Methoden, die geeignet sind. Sie alle haben die Grundprämisse der absoluten Freiwilligkeit: Es werden so viel wie möglich Menschen einbezogen. Nicht nur Gegner und Betroffene, sondern Partner, Kunden, Lieferanten sogar Konkurrenten. Und: Wenn der Prozess beginnt, ist die Lösung noch völlig offen. Sie wird gemeinsam und gleich-berechtigt von allen Beteiligten erarbeitet. Alle Beteiligten erarbeiten gemeinsam aktiv eine Lösung. Die Rolle der Autoritäten wechselt also von einer bestimmenden und durchsetzenden in einer moderierende Rolle.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Mit dem 2b AHEAD ThinkTank haben wir 2009 ein Experiment gemacht: Wir haben die Innovationsmethode des „OpenSpace“, mit der sonst in Unternehmen deren Zukunftsprodukte und Strategien entwickelt werden, erstmals in eine Stadt gebracht. In Oldenburg haben wir damals den ersten Bürger-OpenSpace durchgeführt. Absolut freiwillig kamen mehr als 500 Bürger zusammen, die unter Moderation von 10 Innovations-Chefs aus dem 2b AHEAD Netzwerk einen Tag lang die Zukunftsideen für ihre Stadt entwickelt haben. Dabei sind großartige Ideen und Lösungsvorschläge für konkrete Probleme entstanden. Vor allem ist aber das Gefühl entstanden, dass die Menschen gemeinsam Lösungen erarbeitet haben und jeder Bürger der Stadt sich einbringen konnte. Dies ist exakt jenes Lebensgefühl, das schon heute die Lebenswelten der Menschen prägt. Die Politik wird hart daran arbeiten müssen, ihre Entscheidungsprozesse entsprechend anzupassen. Ansonsten wird Stuttgart 21 demnächst überall sein.