Predictive Politics: Michael Carl über Digitalisierung in der Politik
Denn die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren unsere Lebens- und Arbeitswelten entscheidend wandeln – und das hat in Zukunft auch Auswirkungen auf politische Entscheidungen. Mit Blick auf die Folgen für bestimmte Branchen berät Michael Carl zahlreiche Unternehmen und spricht darüber als geschätzter Keynote Speaker. Einer seiner Schwerpunkte sind unter anderem Predicitive Politics, also der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Politik.
In Deutschland dagegen ist man davon noch weit entfernt. Michael Carl spricht in diesem Zusammenhang von einem deutlichen Standortnachteil. Als einer der beiden Geschäftsführer von Deutschlands führenden Zukunftsforschungsinstitut 2b AHEAD ThinkTank ist ihm bewusst: Um die digitalen Möglichkeiten nutzen zu können, braucht es viel mehr als nur eine übergreifende Versorgung mit schnellem Internet. Flächendeckender Breitbandausbau ist nicht mehr als ein Ausgleich der Versäumnisse der vergangenen Jahre. Das hat der US-Wahlkampf gezeigt, bei dem erstmals Big Data genutzt wurde, um Wähler in sozialen Netzwerken durch individuell zugeschnittene Beiträge anzusprechen.
Doch die smarte Erstellung von Wähler-Psychogrammen auf Basis unzähliger Daten ist für den faszinierenden Redner Michael Carl erst der Anfang. In Zukunft soll künstliche Intelligenz auch bei politischen Entscheidungen zum Einsatz kommen und für die Arbeit in Parlamenten, Ministerien und Ausschüssen ein hilfreiches Instrument werden. „Wir erwarten, bereits in naher Zukunft Systeme künstlicher Intelligenz zu sehen, die in Ministerien und Kanzleramt alltägliche Entscheidungen überprüfen. Damit wird die Leistungsfähigkeit des eigenen Algorithmus zum Qualitätsmerkmal von Politikern“, so Michael Carl. So lassen sich damit zum Beispiel Szenarien simulieren, um die Folgen politischen Handelns für die Zukunft zu erkennen. Dadurch werden die individuellen Bedürfnisse, die in der Bevölkerung durch heutiges politisches Handeln erst ausgelöst werden, zum Maßstab der Entscheidung. „Dieser Digitalisierungssprung ist die Anforderung an einen künftigen Digitalminister. Verweigert sich die Politik diesem Sprung, hängt sie sich von der gesellschaftlichen Entwicklung ab“, so Carl.
Zukunftsforscher Michael Carl erhofft sich für die Koalitionsgespräche, dass sich die Beteiligten der entscheidenden Rolle der Digitalisierung bewusst werden und sie zu einer der zentralen Herausforderungen für die bevorstehende Legislaturperiode machen.