Schiedsrichter Knut Kircher über Entscheidungen im Top-Management

Voranschreitende Internationalisierung und komplexer werdende Unternehmensstrukturen in Kombination mit einer Vielzahl von Kommunikationsmöglichkeiten in Sekundenschnelle – das verlangt vom Topmanagement ein hohes Maß an Flexibilität. Und auch die Entscheidungssicherheit darf dabei nicht zu kurz kommen. Damit wächst der Druck auf die Führungskräfte enorm. Das hat zur Folge, dass Topmanager in Deutschland zunehmend rasche Entscheidungen scheuen. Grund: Ein Fehler reicht aus, und der Job ist weg.

Die Erwartungshaltung an die Vorstands- oder Geschäftsführungsebenen sind in den letzten Jahren gestiegen. Hinzu kommt, dass die Anforderungen teilweise gesetzlich sein können: Neben der Schnelligkeit müssen Entscheidungen solide und mittel- bis langfristig gültig sein. Das Paradoxe an dieser Situation ist: Entscheidungsprozesse verzögern sich in einer schnelllebigen Zeit. Das kostet Unternehmen Geld und schadet letztlich auch dem Ruf der Manager. Zudem steigt der Druck auf das Top-Management durch wachsende Transparenz des Handelns, das in der Öffentlichkeit stark beobachtet und diskutiert wird. Fehlentscheidungen führen dazu, dass man vom Top-Management erwartet, auch für diese sofort Verantwortung zu übernehmen. Das dadurch entstehende Risiko des Positionsverlustes ist den Führungskräften bewusst.

Doch nicht nur Manager stehen vor komplexen Herausforderungen. Auch im Sport - besonders im Fußball - müssen Schiedsrichter in Sekundenschnelle Entscheidungen treffen. Wie in der Wirtschaft geht es auch im Profisport um viel Geld und weitreichende Auswirkungen. Der 5 Sterne Redner und ehemalige DFB-Schiedsrichter Knut Kircher kennt solche Situationen nur zu gut. Von 2001 bis 2016 pfiff er Spiele in der Fußballbundesliga und stand von 2004 bis 2012 auch für die FIFA auf dem grünen Rasen. Obwohl Kircher zu den besten Schiedsrichtern gehörte, stand er unter Druck, wenn es in Partien hitzig zuging. Alle Augen - ob von Zuschauern, Journalisten, Spielern oder Vereinsmanagement - waren auf ihn gerichtet und beobachteten kritisch seine Entscheidungen. „Als Schiedsrichter steht man häufig zwischen den Fronten. Man muss innerhalb von Sekunden eine Entscheidung treffen, die unwiderruflich ist und im Zweifel über Sieg oder Niederlage einer Mannschaft entscheidet“, sagt der 5 Sterne Redner über die Herausforderung eines Unparteiischen, die mit denen des Topmanagements vergleichbar ist.

Immer schneller werden Managementpositionen neu besetzt. Die Entscheider versuchen dem vorzubeugen, in dem sie versuchen, ihre Entscheidungen immer besser abzusichern. Daher werden Entscheidungen vermehrt gemeinschaftlich in Gremien getroffen. So ist ein Manager nicht mehr allein für einen eventuellen falschen Beschluss verantwortlich. Ferner sollen extern erstellte Gutachten sicherstellen, dass getroffene Entscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig waren. Automatisch kommt es zu Verzögerungen und einer Verlangsamung von Entscheidungsprozessen. Es beginnt ein Teufelskreis, der sich auf die gesamte Belegschaft auswirkt: Wenn Beschlüsse „von oben“ auf sich warten lassen, wie soll dann in den unteren Ebenen rasch gehandelt werden?

In seinem Vortrag „Die Entscheidung steht“ geht Knut Kircher anschaulich auf seine Erfahrungen als Schiedsrichter ein und überträgt diese auf die Wirtschaft. Der 5 Sterne Redner wirft dabei grundlegende Fragen auf: Was ist eigentlich eine Entscheidung? Wie wirkt sie und wie wird sie wahrgenommen?„Das Wesen der Entscheidung hat sich im Vergleich kaum zu früher verändert“, reflektiert Knut Kircher und führt fort: „Früher gab es nur mich und meine beiden Linienrichter. Heute kommt Hightech dazu. Doch nach wie vor muss schnell und gleichzeitig richtig entschieden werden - und das vor einem Millionenpublikum. Das bringt neue Herausforderungen mit sich und verlangt dennoch Zeit zum Hinterfragen. Geblieben ist - und das ist entscheidend - die Vermittlung von Entscheidungen über Sprache, Mimik und Gestik - ob auf dem grünen Rasen oder im Unternehmen. Und das bei immer höheren Erwartungshaltungen.“